Ursprünglich geht es um einen Artikel bei Autismus Mittelfranken e.V., den ich für die Selbsthilfegruppe aufbereitet habe. Währenddessen habe ich mich noch etwas tiefer in das Thema eingearbeitet und teile hier zusätzlichen Informationen zum Thema Burn-out / autistisches Burn-out. Der Artikel von Lilo ist wirklich sehr lesenswert und ich kann so alles bestätigen.
Inhaltsverzeichnis
- Ursprung des Artikels
- Burnout – Hintergründe
- Einordnung des Burnouts in der Medizin
- Woher kommt das Burn-out
- Wie damit umgehen?
Ursprung des Artikels
Der Text stammt ursprünglich von Autismus Mittelfranken e.V.1, 2 und ist ein Erfahrungsbericht der Mutter Lilo, die auch regelmässig in der Selbsthilfegruppe Ingolstadt bei den Gruppentreffen dabei ist.
Der Artikel ist über die Homepage der Selbsthilfegruppe erreichbar.3
Burnout – Hintergründe
Der autistische Burn-out ist nicht zu unterschätzen, wie übrigens jeder Burn-out, bei jedem Menschen. In aller Regel umfasst ein Burn-out nicht nur ein singuläres Symptom, sondern beinhaltet ein Paket an verschiedenen Problemen. Diese können sein:
- Emotionale Erschöpfung – das Gefühl, keine Energie mehr zu haben, dauerhaft müde zu sein und sich nicht mehr erholen zu können.
- Innere Distanzierung und Zynismus – eine zunehmende Gleichgültigkeit oder auch negative Einstellung zur eigenen Arbeit oder zu Menschen im Umfeld.
- Verminderte Stresstoleranz und Reizintoleranz: – Alltagssituationen, die früher zu bewältigen waren, führen nun vermehrt zu Meltdowns (Überlastung), Shutdowns (Rückzug, Funktionsausfall) oder sozialem Rückzug.
- Reduzierte Leistungsfähigkeit – das subjektive Empfinden, die eigenen Aufgaben nicht mehr zufriedenstellend bewältigen zu können.
- Zunahme autistischer Verhaltensweisen – Es kommt zu verstärkter sensorischer Überempfindlichkeit, häufigeren "Stimming"-Verhaltensweisen, erhöhtem Bedürfnis nach Routinen und ausgeprägterer Reizüberflutung.
- Kognitive und exekutive Funktionsstörungen – Konzentrationsprobleme, Organisationstiefs, Gedächtnislücken ("Brain Fog")
Es ist in aller Regel ein Kreislauf, der immer schlimmer wird und aus dem man in aller Regel nicht mehr allein herauskommt.
Kurz: Ein Burn-out entsteht durch zu hohe Belastungen und Anforderungen, die man als Betroffener nicht ausgleichen kann. Es hat nichts damit zu tun, ob man mehr oder minder intelligent ist, es kann jeden treffen.
Autisten sind jedoch besonders stark davon betroffen, da wir (ich bin auch Autist und kenne das autistische Burn-out) durch unser neurologisch Set-up in einer Welt leben müssen, die nicht von uns und nicht für uns gemacht wurde (laut, bunt, eng, zu viele Reize …).
Da wir uns zudem anderes als neurotypische Menschen verhalten und reagieren, werden Menschen mit Autismus grundsätzlich als "merkwürdig" betrachtet. Da mag es dann auch sein, dass ein Burn-out leider erst sehr viel später auffällt und behandelt werden kann, da die Diagnosen für ein autistisches Burn-out nicht prinzipiell bekannt sind.
Schnell wird ein gereiztes Verhalten gerne mal so interpretiert, als ob der betroffene schlicht unerzogen ist, oder bei Kindern sogar die Eltern in der Erziehung versagt haben.
Einordnung des Burnouts in der Medizin
- Das Burnout (Burn-out) ist bisher in Deutschland keine offiziell anerkannte medizinische Diagnose, im Sinne einer Krankheit oder psychischen Störung.
- In den gängigen internationalen Diagnoseklassifikationen wie ICD-10 und der neueren ICD-11 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Burnout nicht als Krankheit, sondern als ein Faktor, der den Gesundheitszustand beeinflusst und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führt, eingestuft.
Kapitel XXI
Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen (Z00-Z99)4
Personen, die das Gesundheitswesen aus sonstigen Gründen in Anspruch nehmen (Z70-Z76)
Z73: Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung
In der ICD-11 gibt es folgende Hinweise:
QD85 Burnout
Foundation URI: http://id.who.int/icd/entity/129180281
Code: QD855
Description
- Burnout is a syndrome conceptualized as resulting from chronic workplace stress that has not been successfully managed.
- It is characterised by three dimensions:
1) feelings of energy depletion or exhaustion;
2) increased mental distance from one’s job, or feelings of negativism or cynicism related to one’s job; and
3) a sense of ineffectiveness and lack of accomplishment. Burn-out refers specifically to phenomena in the occupational context and should not be applied to describe experiences in other areas of life.
Exclusions
Adjustment disorder(6B43)
Disorders specifically associated with stress(6B40-6B4Z)
Anxiety or fear-related disorders(6B00-6B0Z)
Mood disorders(6A60-6A8Z)Exclusions from above levels
problems related to housing and economic circumstances(QD71)All Index Terms
Burnout
Woher kommt das Burn-out
Das nachfolgende Zitat aus der Masterarbeit von Irmgard MACHER 6 trifft es perfekt, wenn man sich den Ursprung des Burn-outs anschaut:
In der, vom Christentum geprägten Kultur, nahm Arbeit den Stellenwert einer Pflicht ein sich die Erde Untertan zu machen. Von Paulus stammt die Aussage: "Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen". Müßiggang wurde als "Feind der Seele" bezeichnet. Orden gründeten sich auf dem Aspekt der Arbeit. Der größte Teil der Bevölkerung war im Mittelalter in der Landwirtschaft tätig. In den Städten gingen Handwerker und Händler ihrer Tätigkeiten nach.
Mühselige Arbeit von früh bis spät charakterisiert das meist von Grundherren fremdbestimmte Leben der Menschen dieser Zeit. Zeitgenossen, die nicht arbeiteten, waren meist Zugehörige von Randgruppen wie Bettler oder Kranke. Eine Unterscheidung zwischen psychischem Unwohlsein und psychischen Erkrankungen wurde nicht getroffen.
Psychische Erkrankungen wurden weit über das Mittelalter hinaus auf magische Einflüsse zurückgeführt und Geisteskranke und Besessene in Irrenanstalten eingesperrt.
Ich denke, wenn man dann diesen Text noch mit dem Thema des Kapitalismus verknüpft, kann man zu dem Schluss kommen, dass der Burn-out das Resultat von wenigen Menschen ist, die wiederum ein Vehikel benötigten, um ihre Ziele zu erreichen. Diese Vehikel können seit Langem nicht mehr den Anforderungen standhalten, weil immer mehr von ihnen verlangt wird.
So ist es auch mit dem autistischen Burn-out: Man presst autistische Menschen in ein System, welches nicht nur für Autisten toxisch ist, sondern auch für neurotypische Menschen.
Warum nur machen wir so etwas – eine rhetorische Frage, die ich bereits oben beantwortet habe.
Wie damit umgehen?
Nehmt das Thema ernst, die erste wichtige Botschaft. Wir Menschen mit Autismus sind im Grunde friedliche Lebewesen und wollen unsere Ruhe haben. Wenn ihr als Außenstehende merkt, dass wir eine kürzere Zündschnur haben, gereizt, dauerhaft müde und vermeintlich launisch sind, dann betrachtet diese Verhaltensweisen nicht als Ergebnis schlechter Erziehung, sondern als Warnsignal und Hilferuf: da gibt es einen Menschen, der unbedingt aus diesem Hamsterrad heraus muss.
Eine Psychotherapie ist sicherlich hilfreich, manchmal auch ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik, um einen völlig erschöpften und ausgebrannten Menschen wieder zu Kräften kommen zu lassen. Aber auch hier gilt: weniger ist mehr. Strukturen in den Tag einbauen, ausreichend Phasen zur Regeneration zur Verfügung stellen und den Betroffenen langsam wieder zu Kräften führen. Das ist sicherlich ein grundlegender Weg.
Bitte beachtet, dass ein Burn-out oder eine Depression von außen nicht sichtbar ist, wie ein Schnitt mit dem Messer in den Finger. Hier sehen wir die offene Wunde. Bei einem Burn-out hingegen sehen wir keine optische Veränderung bei einem Menschen. Das macht es selbst in Fachleuten schwer.
Bleibt gesund und passt auf euch auf!
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Quellen/Hinweise/Fußnoten:
Alle Links zu Dokumenten und Webseiten sind in aller Regel über Internetarchive verlinkt, da sich ständig Änderungen an den Webseiten ergeben. Ziel ist es, auf den Stand zu referenzierten, der zum Zeitpunkt der Erstellung des Artikels vorhanden war.
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
-
Homepage: Autismus Mittelfranken e.V. | Informationen über das Autismus-Spektrum und Selbsthilfe für Familien vor allem in der Region Mittelfranken ↩
-
Autistischer Burnout – noch nie gehört, aber alles schon erlebt (archive.org) ↩
-
Autistischer Burnout – Erfahrungsbericht von Lilo (aus der SHG) – Die Selbsthilfegruppe für Autismus in Ingolstadt – Eichstätt – Neuburg Schrobenhausen – Pfaffenhofen ↩
-
ICCD-10: Burnout / Burn-out (archive.org): ICD-10-WHO Version 2019, Kapitel XXI, Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen (Z00-Z99) ↩
-
ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics (archive.org: bitte in der Suche oben links diesen Code eingeben, der direkt zur Seite führt: 129180281) ↩
-
BURNOUT – Zwischen Hamsterrad und Selbstbestimmung – unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/329322/full.pdf (archive.org) ↩